Rekonstruktion von Leitbauten
Im städtebaulich-gestalterischen Konzept zum Wiederaufbau des Gebiets um den Neumarkt ist neben der Rekonstruktion der Leitbauten und der Rekonstruktion historischer Fassaden als Leitfassaden vor neuem Grundriss auch die Rekonstruktion von Quartierstrukturen erwünscht. Das Gebäude Schloßstraße 24 stellt als „Durchhaus“ ein solches Beispiel dar. Es erstreckt sich durch den gesamten Block von der Schloßstraße bis zur Schössergasse. Die Gebäudeteile umschließen einen zentralen Hof, dessen östlichen Abschluss eine Arkade bildet. Die grundsätzliche Gebäudestruktur wurde exemplarisch wiederhergestellt, wobei der Innenhof aufgrund des zu nahen Kulturpalasts erheblich schrumpfen musste. „Hier mussten wir Kompromisse finden – beispielsweise indem wir einen Rundbogen der Arkade hälftig abschnitten“, erklärt der Architekt.
Das „Fürstliche Haus" auf der Schloßstraße 30 wurde etwa Anfang des 16. Jahrhunderts errichtet. Das ursprünglich viergeschossige Eckhaus lag mit einer zwölfachsigen Fassade zur Sporergasse, während sich die vierachsige Hauptfassade zur Schloßstraße orientierte. Spätgotische Fenstergewände zeugten hier vom Alter des Gebäudes. Vermutlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude aufgestockt und in seinen oberen Geschossen wie auch im Erdgeschoss stark verändert. Von großer kunstgeschichtlicher Bedeutung war der kostbare, an der Hauptfassade in der zweiten Achse asymmetrisch angebaute Erker. Das „Fürstliche Haus" wurde mit seiner Leitfassade wiedererrichtet. Als Vorlage dienten lediglich wenig aussagekräftige Schwarz-Weiß-Fotos. Für die Dachform gab es gar keine historischen Belege.
Für die neuen Fassaden Schössergasse, Rosmaringasse und Schloßstraße wurde eine Variantenuntersuchung zur Fassadengestaltung ausgelobt. Daran nahmen fünf Architekturbüros teil. Gemeinsam mit der Gestaltungskommission wurden drei Beiträge zur Überarbeitung ausgewählt. Es finden sich Entwürfe der Architekturbüros Knerer und Lang sowie wörner traxler richter als Fassaden der Gebäude 4 und 5 im Bauantrag wieder. Die neue Fassade Sporergasse wurde gemeinsam mit der 2016 gegründeten Dresdner Gestaltungskommission abgestimmt.
Nachahmung der Grundrisse
Das Quartier VII.1 erhielt einen Innenhof sowie mit dem Durchhaus eine fußläufige Verbindung von der Schloßstraße zur Schössergasse. In den attraktiven Erdgeschosszonen der Schössergasse, Sporergasse, Schloßstraße und Rosmaringasse wurden mehrere Ladeneinheiten verschiedener Größe und ein Restaurant an der Ecke Schloßstraße/Rosmaringasse geplant. Oberhalb der Ladenzonen wurden Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen angeordnet. In den Dachgeschossen befinden sich Maisonette- und Galeriewohnungen. Das „Caesarsche Haus" wird vom 1. bis zum 4. Obergeschoss als Büro- und Praxisfläche genutzt. Christian Herold: „Dies ermöglicht eine annährend getreue Nachahmung der historischen Grundrissstruktur, die wir nicht zuletzt dank unserer langjährigen Erfahrungen am Dresdner Neumarkt realisieren konnten.“
Das gesamte Quartier besteht aus fünf Einzelgebäuden und ist zweigeschossig auf der gesamten Fläche unterkellert. Im 1. Untergeschoss befinden sich 26 Stellplätze, ein Fahrradabstellraum, haustechnische Nebenräume der Gastronomie und sämtliche Hausanschlussräume. Im 2. Untergeschoss liegen 28 Stellplätze, Sprinklertank und Sprinklerzentrale sowie alle Mieterkeller. Die Erschließung der Tiefgarage führt über die Einfahrt Rosmaringasse über eine einspurige gewendelte Rampe mit Ampelsteuerung.
Ein Hindernis vor der Baugenehmigung war der zu erwartende Lärm in der Rosmaringasse bei der Belieferung des Kulturpalasts. Ursprünglich sollten daher alle Fenster aus dieser Quartiersseite verschlossen sein. „Baywobau-Chef Berndt Dietze engagierte sich maßgeblich, um eine Lösung zu finden“, betont Herold. Diese bestand in einer Einhausung der Lieferzone des Kulturpalasts, so dass der Lärmpegel entsprechend sinkt und die Bewohner die Fenster seit der Fertigstellung Ende 2021 öffnen können.
Retrospektive: Planen und Bauen am Dresdner Neumarkt
Die Planung für den Wiederaufbau des Neumarktgebiets wurde erst Anfang der 1980er Jahre mit einem BDA-Entwurfsseminar belebt. 1982 entstand daraus die Empfehlung, das Neumarktquartier weitgehend in seiner historischen Struktur zu rekonstruieren. 1986 wurden das Hotel Dresdner Hof und die Gebäude an der Münzgasse errichtet, die im Wesentlichen den historischen Fluchtlinien folgen. Mit dem Beschluss zum Wiederaufbau der Frauenkirche und seiner Realisierung seit 1993 rückte das Neumarktgebiet wieder in den Vordergrund der Diskussionen zu dessen Wiederaufbau.
Alle Untersuchungen und Vorarbeiten führten schließlich zu einem Entwurf eines Bebauungsplans der Landeshauptstadt Dresden für den Altstadtkern (Neumarkt). Der Bebauungsplanentwurf legt fest, welche Gebäude als Leitbauten unter Verwendung von geborgenen Trümmerteilen in Grundriss und Fassaden wieder rekonstruiert und welche Leitbauten als Rekonstruktion der Fassaden realisiert werden sollen. Er legt Trauf- und Firsthöhen sowie die Geschossigkeit der Gebäude fest. Im städtebaulich gestalterischen Konzept von 2001 ist festgeschrieben, welche Gebäude als Leitbauten errichtet werden und welche Fassaden als Leitfassaden oder modern gestaltet werden können.